Integration Schiene: Neustart in Deutschland

„Integration Schiene“ heißt die Initiative, die geflüchteten Menschen bei ihrem Neustart in Deutschland hilft. Das Team um Leiter Markus J. Kuhn unterstützt Flüchtlinge auf dem Weg in Jobs der Bahnbranche und begleitet die soziale Eingliederung langfristig mit umfassender Beratung und viel Engagement. Warum sich Integration nicht von oben verordnen lässt und wie die neuen Mitarbeiter die Betriebe bereichern, verrät Markus J. Kuhn im Interview.

Allianz pro Schiene: Herr Kuhn, wie starten Flüchtlinge in Deutschland erfolgreich in einen neuen Job?

Markus Kuhn: Ohne engagierte Mitarbeiter in den Unternehmen – insbesondere in den Personalabteilungen – wird es schwer. Integration kann nicht einfach von oben verordnet werden. Gerade am Anfang brauchen die neuen Kollegen noch viele Hilfestellungen, und aufgrund der unterschiedlichen Kulturen können auch schon mal Missverständnisse auftreten. Man darf nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, dann klappt das auch.

Haben Sie ein Beispiel parat?

Markus Kuhn: In Frankfurt begleiten wir vier Menschen bei der Deutschen Bahn, die machen jetzt gemeinsam mit 21 anderen Azubis eine Ausbildung zum Elektroniker Betriebstechnik, Elektroanlagenmonteur und Industriemechaniker. Doch nach zwei Wochen kam einer plötzlich nicht mehr zur Arbeit. Es hat sich herausgestellt, dass die Behörden pünktlich zum Ausbildungsbeginn kein Wohngeld mehr zahlten. Nun stand der Vermieter bei dem Herren auf der Matte. Der dachte sich: „Die Ausbildung ist schlecht, da bekomme ich kein Geld und kann meine Miete nicht bezahlen. Bleibe ich zuhause bin ich zwar arbeitslos, habe aber zumindest eine Unterkunft.“ Im Gespräch konnten wir das schnell klären und haben geholfen, den ersten Monat zu überbrücken. Heute macht er einen super Job und wird seine Ausbildung sicher erfolgreich beenden.

Gibt es Vorbehalte in den Unternehmen, wenn Sie über die Einstellung von Flüchtlingen sprechen?

Markus Kuhn: Ganz klassisch: Die Angst vor dem Unbekannten. Zum Beispiel ist man unsicher, wie die Mitarbeiter reagieren werden und ob dadurch Unruhe im Betrieb Einzug hält. Ich merke das immer dann, wenn von Geflüchteten im Allgemeinen gesprochen wird, so als wäre das eine anonyme Masse. Aber sobald der Mensch ins Spiel kommt und man sich in die Augen geschaut hat, wird alles leichter. Dann werden Vorurteile ganz schnell fallen gelassen.

So hilft Integration Schiene Flüchtlingen in Deutschland

Welche Hilfestellungen bieten Sie mit Integration Schiene den Unternehmen genau an?

Markus Kuhn: Wir stellen Wissen zur Verfügung: Bei sozialen und juristischen Fragen etwa bieten wir eine umfassende Beratung an und unsere Partner veranstalten Workshops vor Ort. Außerdem haben wir spezielle Module entwickelt, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterstützen. Sehr gute Erfahrungen machen wir etwa mit unserem Soziallotsen-Programm: Ehrenamtliche nehmen die neuen Kollegen an die Hand und helfen bei den praktischen Alltagsdingen: Wie finde ich eine bezahlbare Wohnung? Wie melde ich mich an meinem neuen Wohnort an? Was für Möglichkeiten habe ich in meiner Freizeit?

Welche Qualifikationen haben die Menschen, die Sie vermitteln?

Markus Kuhn: Das Portfolio ist sehr breit gestreut, vom Ungelernten bis zum hochqualifizierten Elektroingenieur. Allerdings kann es beim Nachweis der Qualifikationen problematisch werden, wenn keine Zeugnisse mehr vorhanden sind und die Bildungseinrichtungen im Heimatland in Schutt und Asche liegen. In diesem Fall können die Bewerber in einem Checkup ihre Kenntnisse zeigen. So macht es zum Beispiel DB Training und stellt diesen Service auch den anderen Projektpartnern zur Verfügung.

Viel positive Energie für die Unternehmen

Sie konnten schon einige Menschen unterstützen, unter anderem bei der Deutschen Bahn in Frankfurt und München. Wie schlagen sich die Neuen bisher?

Markus Kuhn: Sehr gut, die stecken mitten in der Ausbildung und machen ihre Sache super. Die Menschen beginnen ein neues Leben hier in Deutschland und sind unglaublich motiviert. Da fließt sehr viel positive Energie, auch auf der emotionalen Ebene. Den Unternehmen tut das sehr gut, das sehen wir immer wieder. Für die Bahnbranche ist die Integration von Flüchtlingen eine große Chance, denn Nachwuchs wird händeringend gesucht.

Also Erfolg auf der ganzen Linie?

Markus Kuhn: Sagen wir es so: Integration Schiene nimmt jetzt Fahrt auf. Wichtig war es, dass wir mit der Deutschen Bahn einen „Eisbrecher“ gewinnen konnten, der bereit war, mit uns den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Durch die Arbeit der letzten Monate haben wir ein breites Netzwerk aufgebaut und einen direkten Draht zu den Behörden bekommen. Das vereinfacht vieles. Jetzt helfen wir auch weiteren Unternehmen bei der Einstellung von Flüchtlingen. Die Bahnbranche übernimmt gesellschaftliche Verantwortung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Integration Schiene ist ein Projekt unter dem Dach der Stiftung Bahn-Sozialwerk. Hier geht es zur Projektwebsite: https://www.integration-schiene.de/

Das Interview führte Christopher Harms