Im Jahr 2013 beschloss die Europäische Union das vierte Europäische Eisenbahnpaket. Es enthielt unter anderem Konzepte und Anweisungen, welche die Schaffung einer „Single European Railway Area“ (kurz SERA) unterstützen. Dieses interoperable Schienennetz plant, Europas Schienenverkehr für Personen und Güter so wirtschaftlich und serviceorientiert wie möglich zu gestalten, um auch im 21. Jahrhundert umweltschonende und im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern konkurrenzfähige Transportmöglichkeiten anbieten zu können.

Das Paket lässt sich grob in zwei Säulen unterteilen: eine legt den Fokus auf technische Aspekte, die andere beschäftigt sich insbesondere mit politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Die technische Säule verlangt von den europäischen Ländern vor allem eine Anpassung ihrer nationalen Vorschriften bezüglich verschiedener Verfahren und Vorschriften. Der ursprüngliche Stichtag für die Umsetzung der Richtlinien, der 16. Juni 2020, ist nun aufgrund der anhaltenden Pandemie in den Herbst verschoben worden.

Die technische Säule

Die Priorität der technischen Säule liegt auf der Interoperabilität des Systems, der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs und einer Neudefinierung der Aufgaben der Europäischen Eisenbahnagentur. In Umsetzung werden nationale Vorschriften gestrafft und vereinheitlicht und Verfahren für die Hersteller und Eisenbahnunternehmen vereinfacht (so müssen z. B. keine Mehrfachanträge mehr für grenzüberschreitende Verkehrsdienste gestellt werden). Darüber hinaus wurde ein einheitliches Zulassungsverfahren für Schienenfahrzeuge entwickelt.

Die Marktsäule

Die Marktsäule sieht eine Liberalisierung des Schienenverkehrs vor. Zur Erweiterung und Verbesserung des Angebotes für Reisende und Unternehmen haben nun alle Eisenbahnunternehmen nun das Recht, kommerzielle Dienstleistungen in der gesamten EU anzubieten. Insbesondere neuen Teilnehmenden sollen einfach und diskriminierungsfrei Zugang zum Netz erhalten. Damit ein reibungsloser intereuropäischer Schienenverkehr möglich ist, werden Sicherheitsbestimmungen und Ausschreibungen zentralisiert, der Zugang zu Wartung, Vertrieb, Fahrgastinformationssystemen und Güterumschlagterminals erleichtert und den Schienensektor als Arbeitgeber neu herausgefordert.

Herausforderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das vierte Eisenbahnpaket wird nach dem vollständigen Inkrafttreten den Einsatz und die Arbeitsweise des Eisenbahnpersonals im gesamten europäischen Raum nachhaltig beeinflussen. Personal ist das Schlüsselelement zu der angestrebten Qualität der Dienstleistungen, daher ist es für Unternehmen wichtig, dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel gezielt entgegenzuwirken. Hierfür ist die Entwicklung eines attraktiven Arbeitgeberprofils unerlässlich. Ein besonderer Fokus soll hierbei im Schienensektor bisher unterrepräsentierten Gruppen gelten, wie z. B. Frauen oder Jugendlichen. Raum für Austausch für Unternehmen und Gewerkschaften zu neuen Regelungen und Anforderungen bietet das Komitee „EU Sektoraler Sozialer Dialog Eisenbahn“.
Darüber hinaus müssen Neuerungen in Arbeitsabläufen mit Mitarbeitenden kommuniziert und in den beruflichen Alltag integriert werden. Neu sind z. B. die Regelungen für Fremdsprachenkenntnisse und die allgemeine Sprachkompetenz bei Triebfahrzeugführer/innen.
Für europaweit einheitliche bzw. kompatible Sicherheitskonzepte mit einer Integration menschlicher und organisatorischer Faktoren, neu definierten Sicherheitskulturkomponenten und einem gemeinsamen Leitfaden ist unerlässlich für ein interoperales Schienennetz Europa. Die neue Sicherheitskultur möchte außerdem mit Herstellern und Dritten, wie nationale Sicherheitsbehörden, zusammenarbeiten, um ein möglichst ganzheitlichen Ansatz zu garantieren.

Geeint ins 21. Jahrhundert

Abschließend lässt sich feststellen, dass das vierte Eisenbahnpaket viele Herausforderungen rechtlicher, technologischer und administrativer Natur bereithält, gleichermaßen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Gleichzeitig ist mit dem Paket ein Grundstein für die Eisenbahn als ein nachhaltiges, europaweites Transportmittel gelegt, das auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber sein wird und mit anderen Verkehrsmitteln konkurrieren kann.