Bahn zahlt 1500 Euro für Fachkräfte

Unternehmen wie der deutsche Staatskonzern stellen jedes Jahr Tausende neue Mitarbeiter ein – und überlassen die Suche oft ihrer Belegschaft. Das spart Zeit und ist eine lukrative Nebentätigkeit.

Normalerweise koordiniert Jens Frey Infrastrukturprojekte bei der Deutschen Bahn (DB) oder hilft außerdem bei der notwendigen Sanierung von Bahnhöfen. Nebenbei arbeitet der 31-jährige Vermessungsingenieur überraschenderweise auch als „Hobby-Personalvermittler“ für den Staatskonzern. In den vergangenen Jahren holte Frey sechs Bekannte ins Unternehmen. „Ich bin aus dem Studium noch gut vernetzt, das sind alles ehemalige Kommilitonen von mir“, erklärt der Angestellte.

Was nach Vetternwirtschaft und „Vitamin B“ klingt, ist durchaus in Sinne des Unternehmens. Die Bahn bezahlt für angeworbene Bekannte sogar eine auskömmliche Prämie: „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ heißt das Programm des Konzerns. Und es ist längst nicht das einzige seiner Art in der deutschen Wirtschaft. Dutzende andere Unternehmen wie Bosch, Siemens oder PricewaterhouseCoopers setzen auch auf diese Art des Recruiting. Es bietet ihnen viele Vorteile. So kann zum Beispiel die Bahn Mitarbeiter einstellen, die sie auf dem freien Markt wahrscheinlich nie gefunden hätte.

Beim Karriereportal Xing nennt man die Mitarbeiterprogramme sogar die „Königsdisziplin in der Personalarbeit“. Unternehmen bekämen qualifizierte neue Angestellte in sehr kurzer Zeit und zu geringeren Kosten, weil eine aufwendige Stellenausschreibung nicht nötig ist. Und weil Prämien erst gezahlt werden, wenn der Bewerber wirklich ein Glücksgriff für die Belegschaft ist. „Die eigenen Mitarbeiter treten als Botschafter des eigenen Unternehmens auf, die Ansprache von Kandidaten ist persönlich, verlässlich und hoch relevant“, erklärt Frank Hassler, Geschäftsführer von Xing E-Recruiting.

Eine Studie der Uni Bamberg zeigt, dass mittlerweile 62 Prozent der größten deutschen Unternehmen ihre Mitarbeiter dazu aufrufen, offene Stellen an ihr privates Umfeld oder Bekannte zu empfehlen. Knapp 24 Prozent erwarten zudem, dass das Stellenangebot auch in den sozialen Medien geteilt wird. Später wird knapp jeder zwölfte empfohlene Bewerber auch wirklich von den Unternehmen eingestellt. Eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergab sogar, dass in 30 Prozent aller Neueinstellungen der persönliche Kontakt oder die Empfehlung zum neuen Job führten.

Die Personaler bei der Deutschen Bahn verzeichneten im vergangenen Jahr mehr als 1000 Einstellungen, die über persönliche Kontakte von Mitarbeitern zustande gekommen sind. Allerdings sucht das Unternehmen jedes Jahr 7000 bis 8000 neue Angestellte. Deswegen baut es das Programm für die Mitarbeiterempfehlung jetzt um, bei dem 500 Euro für erfolgreich geworbene Auszubildende und 1500 Euro für Fachkräfte gezahlt werden. Mussten bisher die Angestellten noch den analogen Weg beschreiten, Formulare ausfüllen und unterschreiben, so funktioniert das System jetzt digital und ist auch für Mitarbeiter zugänglich, die nicht täglich das Intranet der Bahn besuchen. Das gilt etwa für Zugbegleiterinnen wie Hava Bilge, die bereits zwei Freundinnen zu ihren Kolleginnen machte.

„Wir wollen das Recruiting an allen Hebeln weiter optimieren, und dazu gehört auch Mitarbeiter werben Mitarbeiter“, erklärt eine Bahn-Sprecherin. Künftig hoffe man, noch mehr Angestellte zu einer Empfehlung zu motivieren. In den Auswertungen haben die Personaler des Konzerns auch festgestellt, dass sich die so gewonnenen Mitarbeiter besonders leicht im Unternehmen eingewöhnen und wohlfühlen. Schließlich wüssten sie durch die Erfahrungen des Werbers, auf was sie sich da einlassen.

Bei der Digitalisierung des Programms geht die Bahn nun noch einen Schritt weiter. Ab Oktober kooperiert der Konzern mit dem Schweizer Dienst Eqipia, der gerade von Xing übernommen wurde. Mit dem Programm können DB-Mitarbeiter künftig ihr eigenes Xing-Profil mit dem „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“-System der Bahn koppeln. Ihnen wird dann automatisch angezeigt, wenn eine ausgeschriebene Stelle bei der Bahn auf einen Kontakt in ihrem Xing-Freundeskreis passt. Allerdings passiert das nur unter der Voraussetzung, dass der potenzielle Kandidat auch offen für neue Jobangebote ist. Dieser Wunsch lässt sich im Xing- Profil angeben.

Neben Eqipia, das im Herbst komplett im Xing-Empfehlungsmanager aufgehen wird, gibt es noch weitere Konkurrenzdienste. Firmen wie Talentry aus München und Firstbird aus Wien bieten ähnliche Rekrutierungs- Lösungen für Unternehmen an. Zu ihren Kunden zählen Branchengrößen wie ProSiebenSat1, Ratiopharm oder die Schweizer Post. Alles Unternehmen, die wie die Deutsche Bahn über große Personalabteilungen verfügen und auf den ersten Blick nicht auf externe Dienstleister setzen müssten.

Doch der Fachkräftemangel in Ingenieur- und IT-Berufen lässt die Unternehmen bei ihrer Personalarbeit verstärkt auf die persönlichen Kontakte ihrer Mitarbeiter setzen. Das bestätigt auch Xing-E-Recruiting-Chef Hassler. Zwar seien bisher die meisten Empfehlungen bei „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ für Auszubildenden-Stellen ausgesprochen worden, heißt es bei der Bahn. Doch die erfolgreichsten Tipps gingen bisher für technische Akademiker und IT-Mitarbeiter ein. Nun hoffen die Personaler des Konzerns, dass nicht nur Vermessungsingenieur Jens Frey noch mehr neue Kollegen ins Unternehmen vermittelt.

Quelle: http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article157748739/Bahn-zahlt-1500-Euro-fuer-Fachkraefte.html